Rückblick digitaler Praxisworkshop Glasindustrie: Perspektiven für eine energieeffiziente und CO2-arme Produktion

Über 80 Teilnehmende diskutierten am 22.04.2021 auf einem digitalen Workshop die Möglichkeiten der CO2-Minderung in der Glasindustrie. Die rund 400 Betriebe der Branche haben aufgrund ihrer energieintensiven Schmelzprozesse einen sehr hohen Gesamtenergieverbrauch. Sie stehen, auch vor dem Hintergrund langer Investitionszyklen, vor großen Herausforderungen, klimaneutral zu werden. Die Veranstaltung zeigte aber auch wirtschaftliche Chancen für die Glasindustrie auf.

In dem von der dena in Kooperation mit dem Bundesverband der Glasindustrie organisierten Workshop stellten Unternehmen bereits laufende Forschungsvorhaben für den Einsatz zukunftsfähiger Energieträger wie Wasserstoff und Elektrifizierung vor. Signifikante Einsparpotenziale gibt es aber auch unter den heutigen wirtschaftlichen Bedingungen und bei den in Betrieb befindlichen Erdgas gefeuerten Glaswannen. Technologisch im Fokus: staubunempfindliche Wärmetauscher zur Abwärmenutzung, Abwärmeverstromung, Gemengevorwärmung, effiziente Brennertechnik und Kühlöfen. Technologien, die durch eine Förderung im Industrieförderprogramm des BMWi wirtschaftlich attraktiv werden können.

Perspektiven für die Glasbranche

Dr. Johann Overath, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Glasindustrie (BV Glas), wies bei der Eröffnung des Workshops auf die Herausforderung der Glasbranche hin, bis 2050 klimaneutral zu produzieren. Auch aufgrund der guten Rezyklierbarkeit räumt er dem Werkstoff Glas jedoch auch in Zukunft eine große Bedeutung und Chance ein. Auch jetzt schon bevorzugen immer mehr Konsumierende CO2-freie und recyclebare Produkte. Um eine CO2-freie Produktionsweise zu erreichen, müsse über Energieeffizienz hinaus der Produktionsprozess dekarbonisiert werden, etwa mit neuen Energieträgern. Hier knüpfte der Vortrag von Sven-Roger Kahl (Ardagh Group) an, der das Projekt der „Schmelzwanne der Zukunft“ vorstellte. Dabei handelt es sich um ein Gemeinschaftsprojekt der Behälterglasindustrie, mit dem Ziel bis 2023 eine zu 80 % mit erneuerbaren Strom betriebene Hybrid-Glaswanne gewerbsmäßig in Betrieb zu nehmen. Geplanter Standort ist Obernkirchen in Niedersachsen. Das Projekt, das sich gerade für die eine Förderung durch den Europäischen Innovationfonds qualifiziert hat, soll bereits 2023 in Produktion gehen.

Der sich anschließende Vortrag von Dr. Roland Geres (FutureCamp Climate GmbH) mit dem Titel „Das ‘Big Picture‘: Globale Entwicklungen und der EU-Emissionshandel für die Glasindustrie“ beinhaltete die für die Glasindustrie relevanten, übergeordneten regulatorischen Entwicklungen in Deutschland und der EU und einen Ausblick auf die Relevanz der Dekarbonisierung durchzunehmend steigende Emissionskosten. Bernhard Fleischmann (Hüttentechnischen Vereinigung der Deutschen Glasindustrie e.V.) erläuterte in seinem Vortrag „Energie- und CO2-Bilanz bei der Glasproduktion – Dekarbonisierungs- und Effizienzpotentiale“, dass die Möglichkeiten der Glasindustrie allein durch Energieeffizienzmaßnahmen CO2-frei zu werden, begrenzt seien. Er zeigte die Bandbreite der Dekarbonisierungspotentiale, von grünem Wasserstoff über Substitution von Carbonaten durch CO2-freie Oxid-Mischungen, in der Glasproduktion auf.

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Energieeffizienztechnologien und Innovationen für die Glasindustrie

Auch der Vortrag von Dr. Wolf Kuhn (Fives Stein) zeigte die Relevanz der Schmelze für die Glasindustrie im Kontext der Klimaneutralität. Dieser Prozess hat mit 50 – 85 % den größten Anteil des Energieverbrauchs in der Glasherstellung,. Der Referent empfahl vor diesem Hintergrund eine rasche Umstellung der Ofentechnologien auf verfügbaren Technologien, damit das 2050 Ziel noch erreicht werden kann. Dabei sprach er auch die langen Zyklen bei der Ofenerneuerung an.

Auch bei neuen Wannentypen und Energieträgern wird in Zukunft Abwärme entstehen. Michael Schmidt (Uniper SE) setzt zur Rückgewinnung der Abwärme in elektrischen Strom auf die ORC-Technologie und führte die Teilnehmenden durch die Schwierigkeiten und Chancen beim Einsatz von ORC-Modulen in der Glasherstellung.

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Fördermöglichkeiten für die Energie- und CO2-Einsparung in der Industrie

Bei der Umsetzung von energie- und CO2-einsparenden Maßnahmen kann die Glasindustrie Förderungen des Bundes in Anspruch nehmen. Petra Bühner (KfW Bankengruppe) ging in ihrem Vortrag „Profitieren von der Bundesförderung für Energieeffizienz und Förderprogrammen zur Dekarbonisierung in der Produktion“ auf die bestehende Bundesförderung für Energieeffizienz in der Wirtschaft ein. Sie stellte die darin enthaltenen 4 Module und Anforderungen an das Energieeinsparkonzept vor, das für die Antragsstellung erforderlich ist. Anschließend gab sie den Teilnehmenden wichtige Hinweise zum Förderprogramm „Klimaschutzoffensive für den Mittelstand“. Das Förderprogramm bietet eine breite Palette an Fördertatbeständen, welche bereits dem 2021 in Kraft tretenden Katalog der EU-Taxonomie entsprechen. Neu und besonders interessant für Glashersteller ist dabei der Fördertatbestand zur Herstellung klimafreundlicher Technologien.

Oliver Tietjen (Referat II B 2 BMWi) umriss in seinem Impuls: „Weiterentwicklung der Förderangebote für die Wirtschaft – Perspektive aus Sicht des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie“ das aktuelle Förderprogramm „Energieeffizienz in der Wirtschaft“ des BMWi und den damit verbundenen Förderwettbewerb und gab einen Ausblick auf Weiterentwicklungen des Förderprogramms.

In einer kurzen Umfrage während des digitalen Praxisworkshops attestierten bereits etwa die Hälfte der Teilnehmenden dem existierenden Förderangebot eine hohe Wirkung, etwa ein Drittel der Befragten vermisst die Förderung bestimmter Maßnahmen und sieht nur eine insgesamt mäßige Wirkung in aktuellen Förderprogrammen.

Mit einem Erfahrungsaustausch: „Erfolgreiche Umsetzung von Energieeffizienzmaßnahmen in der Glasindustrie und Grenzen von Fördermöglichkeiten“, schloss der dritte digitale Praxisworkshop im Rahmen des Projekts „Leuchttürme CO2-Einsparung“.

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Digitales Ausstellerforum

Eine Besonderheit des Workshops war das digitale Ausstellerforum mit Anbietern für Energieeffizienztechnologien und Innovationen für die Glasindustrie, welches in Form von fünf parallelen Breakout-Sessions stattfand. Als Aussteller standen die Unternehmen Siemens AG, Linde GmbH, Rotamill GmbH, Zippe Industrieanlagen GmbH und Ernst Pennekamp GmbH & Co.OHG den interessierten Teilnehmern Rede und Antwort. Die Unternehmen konnten ihre Technologie in kurzen Pitches vorstellen.

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