Leuchtturmprojekt für energieeffiziente Abwärmenutzung

Aurubis AG / enercity Contracting Nord GmbH

Die Hamburger HafenCity ist das derzeit wohl größte innerstädtische Stadtentwicklungsprojekt in Europa. Für den gerade entstehenden östlichen Teil der HafenCity unterzeichneten im Februar 2017 der Anbieter von Nichteisen-Metallen Aurubis AG und der Energiedienstleister enercity Contracting Nord GmbH einen Vertrag über die Lieferung industrieller Abwärme für die Wärmeversorgung. In dem neuen Stadtteil mit einer Bruttogrundfläche von 1.4 Millionen m² entstehen sukzessive tausende Wohnungen und Arbeitsplätze, die mit Wärme versorgt werden müssen. Ab 2018 wird diese Wärme zu großen Teilen aus praktisch CO2-neutraler industrieller Abwärme bereitgestellt: denn dann wird Aurubis jährlich rund 160 Millionen Kilowattstunden (kWh) Abwärme auskoppeln, die im Rahmen der Kupferherstellung entstehen. Den einen Teil wird Aurubis für interne Prozesse nutzen, den anderen übergibt das Unternehmen an seiner Werksgrenze an enercity, die sie letztlich über eine neu errichtete Wärmetransportleitung in das Wärmeversorgungsnetz der östlichen HafenCity einspeisen wird.

Umgesetzte Maßnahmen des Unternehmens entsprechend der "Abwärmekaskade"

 

Projektübersicht

Unternehmen  
  • Aurubis AG
    Hovestraße 50, 20539 Hamburg
  • enercity Contracting Nord GmbH
    Hammerbrookstr. 69, 20097 Hamburg
 
Projektstandort Freie und Hansestadt Hamburg
Jahr der Inbetriebnahme 2018
Branche NE-Metallindustrie
Technologie Auskopplung und Nutzung exothermer Prozesswärme der Kontaktanlage
Energieeinsparung circa 160.000 MWh/a
CO2-Einsparung circa 17.230 t/a
Förderfähige Investitionskosten 32.800.000 €

 

Die Projektentwicklung

Bereits heute nutzt Aurubis innerbetrieblich Abwärme und deckt mit ihr 70 bis 80 Prozent der benötigten Prozesswärme ab. Im Rahmen implementierter Verbesserungsprozesse des Energiemanagementsystems entstand darüber hinaus die Idee der weiteren Abwärmenutzung. Seit mehreren Jahren verfolgte Aurubis deshalb die Option, Abwärme aus der Produktion auch außerbetrieblich für die Wärmeversorgung zu nutzen. Doch hierfür fehlten bislang die entsprechenden Abnehmer für die Wärmemengen mit einem niedrigen Temperaturniveau. Erst mit der Entwicklung der neuen östlichen HafenCity entstand in direkter Nachbarschaft ein neues Wärmeversorgungsgebiet, das von enercity errichtet und betrieben wird. Das Interesse von enercity, die Aurubis-Abwärme in das Wärmeversorgungsgebiet einzuspeisen, gab den Ausschlag, ein finales Abwärmekonzept inklusive Umsetzungsplanung zu entwickeln.

Frühzeitig setzte Aurubis auf die Einbindung der öffentlichen Hand, denn die Einbeziehung industrieller Abwärme in das zukünftige Wärmekonzept der Freien und Hansestadt Hamburg ist ein Ziel der Hamburger Bürgerschaft. Auf Initiative von Hamburgs Erstem Bürgermeister Olaf Scholz wurde deshalb eine behördliche Arbeitsgruppe gegründet - sie begleitet nun das Projekt erfolgreich seit einem Jahr.

Mit der Auskopplung von Wärme aus einem von drei Anlagensträngen der Kontaktanlage, in der Schwefeldioxid - ein Nebenprodukt der Kuperraffination - in Schwefelsäure umgewandelt wird, können rund 17.000 bis 32.000 t CO2/Jahr eingespart werden. Bei einer zukünftigen Umsetzung der vollständigen Wärmeauskopplung aus allen drei Strängen der Kontaktanlage  können sogar bis zu 140.000 t CO2/Jahr klimawirksam eingespart werden. Dies wird gerade geprüft.

Maßnahmen des Abwärmekonzeptes

Im Kern wird das Abwärmeprojekt von folgenden Aspekten geleitet: Die bereits umgesetzte prozessinterne Nutzung der Energie der exothermen Schwefelsäureherstellung, die Anpassung industrieller Prozesse zugunsten einer inner- und außerbetrieblichen Abwärmenutzung und der Bau einer Wärmeleitung mit Pufferspeicher für eine Einspeisung in das lokale enercity-Wärmenetz in der östlichen HafenCity. Entlang der Abwärmekaskade greifen die einzelnen umzusetzenden Maßnahmen ineinander:

Modifikation der Kontaktanlage

Bei der Kupferherstellung entsteht rohstoffbedingt Schwefeldioxid, das Aurubis in Schwefelsäure umwandelt. Die chemische Reaktion erfolgt in einer Kontaktanlage und setzt erhebliche Wärmeenergie frei, die das Unternehmen sowohl für den Prozess selbst nutzt als auch durch Kühlung in die Umgebung abführt. Damit die bislang abgeführte Wärme in das lokale Wärmenetz eingespeist werden kann, muss das Temperaturniveau des Umwandlungsprozesses ohne Zusatz konventioneller Brennstoffe von 65 Grad auf 117 Grad angehoben werden. Da mit der steigenden Temperatur die Korrosion der Anlage beschleunigt wird, kommen zukünftig ein spezieller Stahl und eine Ausmauerung für die Absorbertürme der Kontaktanlage zum Einsatz. Die zur Verfügung gestellte Wärme eines Stranges schwankt produktionsbedingt zwischen 12 und 25 MW. Im gewichteten Jahresmittel wird eine Wärmeleistung von circa18 MW geliefert.

Interne Wärmetrasse

Aurubis wird circa 25 Prozent der ausgekoppelten Abwärme innerhalb des Werksgeländes für den Eigenbedarf nutzen, wie beispielsweise für die notwendige Aufheizung des Elektrolyts der Kupferelektrolyse und zur Gebäudebeheizung. Der durch Fernwärme-Heißwasser verdrängte und bisher verwendete Dampf wird nicht mehr in den Hilfskesseln aus Erdgas erzeugt. Es ergibt sich insofern eine Erdgaseinsparung von circa 50.000 MWh/Jahr und damit verbunden eine CO2-Reduktion von zunächst circa 11.000 t CO2/Jahr.

Außerbetriebliche Wärmetrasse mit Pufferspeicher

Für die außerbetriebliche Wärmenutzung nimmt enercity die Abwärme an der Aurubis-Werksgrenze ab und transportiert sie in die östliche HafenCity zur Einspeisung in das ebenfalls von enercity betriebene Wärmenetz. Die geplante Wärmetransportleitung weist eine Gesamttrassenlänge vom Übergabepunkt Aurubis bis zum Übergabepunkt in der östlichen HafenCity von rund 2.700 m auf. Die Leitungen werden unterirdisch und vorrangig im öffentlichen Straßenraum verlegt. Auf Basis des erwarteten Wärmeabsatzes im Endausbau der östlichen HafenCity wird von einer zu besichernden Wärmeleistung von 28 MW ausgegangen.

Für die Gewährleistung der ganzjährigen Wärmeversorgung in der östlichen HafenCity plant enercity die Errichtung einer Energiezentrale mit Pufferspeicher. Die Produktionsprozesse bei Aurubis haben zur Folge, dass die Bereitstellung der Abwärme stark schwankend erfolgen und zeitweilig auch ausfallen kann. Der zu installierende Pufferspeicher hat die wichtige Funktion, Abwärmeangebot und Wärmebedarf zu entkoppeln und so zur Wärmeversorgung nutzbar zu machen. Konventionelle Heizkessel stellen die Wärmeversorgung während Ausfallzeiten sicher.

Finanzierung mit 30 bis 40 Prozent Förderung seitens der KfW

Neben den technischen Herausforderungen wie lange Lieferzeiten für wesentliche Anlagenkomponenten, die Berücksichtigung einer ausreichenden Trassenkapazität für das gesamte Abwärmepotenzial oder die rechtliche Ausgestaltung der Wärmelieferungsverträge, galt es die Wirtschaftlichkeit des Großprojektes zu gewährleisten. Über das KfW-Energieeffizienz­programm – Abwärme (294) konnten bei Aurubis der notwendige Anlagenumbau und die Wärmeauskopplung mit 30 Prozent sowie die interne Trasse bis zur Werksgrenze mit 40 Prozent der Investitionskosten gefördert werden. Dem Projektpartner enercity sind Förderungen durch das BMWi über die KfW und den Europäischen Fond für regionale Entwicklung (EFRE) in ähnlicher Größenordnung in Aussicht gestellt.

Informationen zu aktuellen Fördermöglichkeiten von Energieeffizienzmaßnahmen finden Sie hier.

Auswahl als Leuchtturm für energieeffizente Abwärmenutzung

Spätestens in der zweiten Jahreshälfte 2018 soll die Abwärmelieferung an die östliche HafenCity starten. An der Werksgrenze übernimmt dann enercity den Weitertransport ins Wärmeversorgungsgebiet. Aufgrund seines besonders hohen Abwärmepotenzials und seiner Übertragbarkeit auf weitere Unternehmen in der energieintensiven Metallbranche wurde das Projekt 2017 durch die dena zum Leuchtturm erklärt. Insbesondere das Ausbaupotenzial des Projektes in Hinsicht auf weitere Anlagenstränge und die positiven Umwelteffekte einer immensen CO2-Minderung und des Schutzes des Ökosystems Elbe überzeugten die dena.