Leuchtturmprojekt für energieeffiziente Abwärmenutzung

Nestlé Deutschland AG

Für die Verarbeitung von Schokolade braucht es Wärme und gleichzeitig ein verlässliches Kühlsystem. Deshalb benötigt Nestlé für sein Hamburger Schokoladenwerk große Mengen an Energie. Um die Energieeffizienz zu steigern und die Produktionskosten zu senken, hat das Unternehmen ein Abwärmeprojekt umgesetzt. Dabei wurde 2017 der Betrieb eines Blockheizkraftwerks mit einer Absorptionskälteanlage gekoppelt. Die erfolgreiche Kälteerzeugung aus Abwärme spart dem Unternehmen jährlich über 2.000 MWh Megawattstunden Energie. Aufgrund der Erfolge des Pilotprojekts, plant Nestlé weitere Abwärmemaßnahmen in anderen Werken umzusetzen und damit seine CO2-Emissionen weiter zu senken.

Umgesetzte Maßnahmen des Unternehmens entsprechend der "Abwärmekaskade"

 

Projektübersicht

Unternehmen Nestlé Deutschland AG
Projektstandort Am Neumarkt 20, 22041 Hamburg
Projektentwicklungszeitraum 2017
Jahr der Inbetriebnahme Nahrungs- und Genussmittel
Branche Backgewerbe
Technologie Absorptionskühlung
Energieeinsparung (Strom und Wärme) 2.400 MWh/a
CO2-Einsparung 950 t/a
Förderfähige Investitionskosten  

 

Planung der Abwärmemaßnahmen im Werk in Hamburg Foto: Nestlé

Die Projektentwicklung

Nestlé Deutschland arbeitet kontinuierlich daran, die Energieeffizienz seiner Produktionsprozesse für Lebensmittel zu steigern. Das heißt zum Beispiel, Dampf durch Wärme-Rückgewinnung und Niedertemperatur-Heizsysteme zu substituieren. Nachdem im Schokoladenwerk Hamburg der Energieverbrauch systematisch reduziert wurde, wurde 2016 zusätzlich ein Blockheizkraftwerk (BHKW) mit 2 MW Leistung installiert. Nach der Inbetriebnahme wurde deutlich, dass der Wärmebedarf während der Schwachlastphase im Sommer zu gering für einen Volllastbetrieb des BHKWs ist. Erfolgreiche Energieeffizienzmaßnahmen hatten zur Folge, dass das Kraftwerk in Zeiten mit geringem Wärmebedarf mehr Wärme produziert als benötigt wird.

Da im Hamburger Schokoladenwerk fortlaufend auch Kälte in der Produktion gebraucht wird und dieser Bedarf im Sommer besonders groß ist, entstand als logische Folgerung die Idee zur Kälteerzeugung aus Abwärme. Die überschüssige Wärme sollte genutzt werden, um Kälte im Sommer mittels Absorptionskühlung zu generieren.

Eine besondere Herausforderung in der Planungsphase war die Dimensionierung der Absorptionskühlung und die Entwicklung eines Szenarios für den Anlagenbetrieb. Auch der Standort und eine möglichst einfache Einbindung in das Kälte- und Wärmenetz waren weitere wichtige Kriterien bei der Konzeption.

Bei der Umsetzung war es besonders schwierig, die Absorptionskühlung an der gewünschten Stelle zu platzieren. Der Knotenpunkt der Kälte- und Wärmeversorgung sowie der Anschluss an das Stromnetz und das Rückkühlwerk (Kühlturm) liegen in einem Maschinenraum im Untergeschoß. Um die Kühlung an diesen Ort zu transportieren, musste eine Öffnung in der Decke geschaffen werden. Dies wurde zusätzlich erschwert, da Bauarbeiten in einem Lebensmittelunternehmen hohe hygienische Anforderungen erfüllen müssen.

Durch die Nutzung der Abwärme des BHKW konnte ein durchgehend wirtschaftlicher Betrieb des Kraftwerks gewährleistet und auch die Stromerzeugung optimiert werden. Außerdem trägt die Absorptionskühlung dazu bei, den Strombedarf für die Kühlung insgesamt positiv zu beeinflussen.

Nach erfolgreicher Umsetzung des Projekts kann Nestlé durch den Einsatz der Abwärme zur Kälteerzeugung jährlich 2.400 MWh Strom und 950 t CO2 einsparen.

Beschreibung der Abwärmemaßnahme

Das Ziel, auch in Zeiten mit geringem Wärmebedarf – im Sommer oder an Wochenenden – den Volllastbetrieb des BHKW zu ermöglichen, wurde durch den Einsatz einer Absorptionskältemaschine (AKM) realisiert.

Die Absorptionskältemaschine nutzt als zusätzlicher Verbraucher die Abwärme des BHKW, die nicht zu Heizzwecken und für die Produktion benötigt wird. Insgesamt wird dadurch die Energieeffizienz des Gesamtsystems gesteigert, denn aus der eingesetzten Brennstoffenergie wird durch die Kombination beider Teilprozesse (siehe Schema der Abwärmemaßnahme in der Abbildung) mehr Nutzenergie (Strom, Prozess- und Heizwärme sowie Kälte) erzeugt.

Die Absorptionskältemaschine

Die Absorptionskältemaschine ist eine Kältemaschine, bei der die Wärmeenergie in Kälte umgewandelt wird. Hier wird auf den physikalischen Vorgang der Löslichkeit zweier Stoffe zurückgegriffen, um die Arbeit eines Verdichters zu ersetzen. Das Wasser wird in dem nahezu evakuierten Verdampfer in den gasförmigen Zustand überführt und (anstelle des elektrischen Verdichters) von einer im Absorber befindlichen konzentrierten, hygroskopischen Lösung angezogen und „aufgesaugt“. Durch dieses „Aufsaugen“ entsteht im Verdampfer der notwendige Unterdruck. Das auf diese Art und Weise verflüssigte Kältemittel in Form einer verdünnten Lösung wird mit einer Flüssigkeitspumpe in den Austreiber befördert. In diesem wird das Kältemittel (Wasser) unter Wärmezufuhr wieder „ausgekocht“. Nach diesem Prozessschritt liegt, analog zur elektrisch betrieben Kältemaschine, wärmerer Dampf bei einem höheren Druck vor, weshalb der Lösungsmittelkreislauf auch als „thermischer Verdichter“ bezeichnet wird. Der Rest des Kältemittelkreislaufs entspricht prinzipiell dem der Kompressionskältemaschine. Die aufkonzentrierte, unverdünnte Lösung aus dem Austreiber wird in den Absorber zurückgeführt. Der Prozess findet kontinuierlich als Kreisprozess statt.

Die Steigerung der Energieeffizienz des Gesamtsystems wirkt sich auch wirtschaftlich aus: Zum einen kann das BHKW durch die längeren Betriebszeiten mehr eigenerzeugten Strom kostengünstig produzieren - dadurch wird der Strombezug des Betriebs insgesamt reduziert. Zum anderen wird der Stromverbrauch der weiterhin vorhandenen Kompressionskältemaschine gesenkt - da eine große Menge der benötigten Kälte nun über die AKM bereitgestellt wird.

Die ohnehin energieeffiziente Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) wird durch die umgesetzte Abwärmemaßnahme mit einer Kälteerzeugung zu einer noch energieeffizienteren Kraft-Wärme-Kälte-Kopplung (KWKK) erweitert. Das System erlangt seinen Vorteil in Punkto Energieeffizienz insbesondere durch die sich gegenseitig ergänzenden saisonalen Bedarfsprofile für Wärme und Kälte. Im Winter kann die Abwärme verstärkt zu Heizzwecken eingesetzt werden. Im Sommer erzeugt die AKM aus 700 kW thermischer Leistung 545 kW Kälteleistung und speist diese in das Kaltwassernetz des Werkes ein.

Motor des BHKW

Finanzierung

Das Projekt erhielt keine Fördermittel. Mittlerweile ermöglicht die KfW eine Förderung für die wirtschaftliche Umsetzung von Maßnahmen zur Kälteerzeugung aus Abwärme durch Investitionskostenzuschüsse von bis zu 30 Prozent der förderfähigen Investitionsmehrkosten.

Für die Förderfähigkeit der Abwärmemaßnahme ist entscheidend, welche Wärme aus dem BHKW genutzt werden soll. Hier muss zwischen der „geplanten“ Wärmeproduktion des BHKW aus der Motorwärme und der Abwärme des Abgases unterschieden werden. Für die Förderprogramme 294 und 494 der KfW sind Abwärmemaßnahmen förderbar, welche die Abwärme der Abgase nutzen.

Informationen zu aktuellen Fördermöglichkeiten von Energieeffizienzmaßnahmen finden Sie hier.

Auswahl als Leuchtturm für energieeffiziente Abwärmenutzung

Das zuständige Team der Nestlé Deutschland AG im Schokoladenwerk Hamburg hat die kontinuierliche Verbesserung der Energieeffizienz ihrer Anlagen ernst genommen und sich nicht mit ersten Erfolgen zufriedengegeben. Eine weitere Optimierung des Gesamtsystems durch die Nutzung von Abwärme zur Kälteerzeugung ist das Ergebnis eines konsequenten Energiemanagements. Dabei wurden weder der komplexe systemische Zusammenhang noch aufwändige Baumaßnahmen als Hürde akzeptiert.

Aufgrund dieser gelungenen Umsetzung kann die Maßnahme auch die strengen wirtschaftlichen Kriterien des Unternehmens erfüllen. Kraft-Wärme-Kälte-Kopplung ist eine marktverfügbare, skalierbare Standardtechnologie, die klare Energieeffizienzvorteile aufweist. Gerade in der Lebensmittelindustrie mit Wärme-, Kälte- und Strombedarf bestehen gute Einsatzmöglichkeiten. Das Leuchtturmprojekt besitzt damit auch eine hohe Übertragbarkeit auf andere Anwendungsfälle in der Lebensmittelverarbeitung.