REHAU Automotive SE & Co. KG – Umrüstung auf eine energieeffizientere Kälteanlage zur Kühlung eines Lackierprozesses

Leuchtturmprojekt für CO2-Einsparung in der Industrie

Die REHAU Automotive SE & Co. KG hat ihre Prozesskühlung am Standort Feuchtwangen energetisch optimiert. Die bestehende Kälteanlage wurde durch eine hocheffiziente Anlage mit Drei-Stufen-Regelung und nachgeschalteter Freikühlung ersetzt. Die Kälteanlage dient zur Kühlung des Prozesswassers an der Lackieranlage "Retinol".

Trocken-Rückkühler der Kälteanlage mit energiesparenden EC-Ventilatoren (© REHAU Automotive SE & Co. KG)
Unternehmen REHAU Automotive SE & Co. KG
Projektstandort Werk 15, Feuchtwangen (Bayern)
Jahr der Inbetriebnahme 2020
Branche Kunststoffverarbeitung
Technologie Energieeffiziente Prozesskühlung
Energieeinsparung 692 MWh/a
CO2-Reduzierung 372 t/a
Investitionsvolumen 355.000 €
Staatliche Förderung nicht beantragt
Amortisationszeit 3,4 Jahre

Hintergrund

REHAU wurde 1948 in Rehau (Oberfranken) mit dem Ziel gegründet, herkömmliche Materialien durch leistungsfähige Polymere zu ersetzen. Mittlerweile ist REHAU in vielen Wirtschaftsbereichen für polymerbasierte Innovationen und Systeme als Premiummarke bekannt.

Angesichts des Strukturwandels und Wettbewerbs in der Automobilindustrie verlangen nahezu alle Hersteller (OEMs) von ihren Zulieferern ein Commitment zur Nachhaltigkeit und CO2-Neutralität. Prozessoptimierungen sparen nicht nur Energiekosten, sondern stärken gleichzeitig die Marktposition eines Zulieferers. Auch deshalb setzt REHAU auf eine nachhaltige Produktion und Energieeffizienz durch Prozess- und Verfahrensoptimierung. Dafür hat das Unternehmen ein internes Energieeffizienznetzwerk aufgebaut, das auf oberster Leitung durch den Energiemanagementbeauftragten koordiniert und strategisch gesteuert wird. An allen europäischen REHAU-Standorten wird jährlich ein internes Energieaudit durchgeführt. Seit 2013 sind alle Werke in Deutschland und seit 2018 europaweit nach ISO 50001 zertifiziert.

Im Jahr 2016 hat REHAU eine Energiemanagementsoftware eingeführt, die der Unterstützung der ISO 50001-Zertifizierung sowie zur Visualisierung von Messdaten der elektronischen Sensorik aller REHAU-Standorte dient. Durch Analyse und Auswertung der Messdaten konnten bereits vielzählige Prozess- und Verfahrensoptimierungsmaßnahmen identifiziert, bewertet und umgesetzt werden.

Ausgangslage und Idee

Der Standort Feuchtwangen verfügt über ein breites Produktspektrum, das die Bereiche Automotive Exterior, Air- und Water- sowie Sealingsystems abdeckt. Die wesentlichen Fertigungsprozesse sind Extrusion, Extrusionsblasen, Spritzgießen und Lackieren – Prozesse, für die auch Prozesskälte benötigt wird.

Werk von REHAU in Feuchtwangen (© REHAU Automotive SE & Co. KG)

Die größte Kälteanlage am Standort wird zur Kühlung des Prozesswassers der Lackieranlage „Retinol“ eingesetzt. Die Kühlenergie wird benötigt, um die 4 Kühlzonen und die Zuluftanlage der Lackversorgung zu betreiben. Dafür wird die Lackieranlage konstant mit einem Kaltwasservorlauf (VL) mit 10 °C und einem Volumenstrom von bis zu 90.000 Litern pro Stunde versorgt. Die Temperatur im Rücklauf (RL) des Kaltwasserkreislaufs aus der Produktion beträgt zwischen 13-15 °C.

Anfang 2018 wurde die Kälteanlage vollständig mit Sensorik nachgerüstet. Die Nachrüstung ermöglicht eine vollständige Erfassung der Temperaturen, Drücke und Durchflüsse an allen relevanten Bereichen der Anlage sowie eine Auswertung des elektrischen und thermischen Energieverbrauchs. Diese Daten konnten wiederum zur Bildung von Energiekennzahlen genutzt werden, die eine Bewertung der Anlageneffizienz erst ermöglichten. Die Ergebnisse zeigten, dass die Leistungszahl EER (Energy Efficiency Ratio) im Jahresmittel gerade einmal 2,06 betrug. Bei einem durchschnittlichen Kältebedarf der Lackieranlage von ca. 400–500 kW ergab sich so ein erhebliches Energieeffizienzpotenzial bei der Bestandsanlage. Folglich wurden die Kälteanlage und die Betriebsweise der Anlage modernisiert bzw. optimiert.

Detailbeschreibung der Maßnahme

Die Hauptbestandteile des neuen Kältesystems sind drei wassergekühlte Verdichter, drei Rückkühler auf dem Dach, ein Pufferspeicher für den Kaltwasserkreislauf sowie ein Wärmetauscher zwischen Kaltwasserkreislauf und Rückkühlkreislauf, der die Nutzung der Rückkühler als Freikühler ermöglicht.

Schema der Anlage mit Rückkühler, Kälteanlage sowie Wärmetauscher für die Freikühlung im Winter- und Mischbetrieb

Die drei Verdichter mit einer Nennleistung von jeweils 250 kW sind auf der zu kühlenden Seite parallel an einen Pufferspeicher angeschlossen und kühlen den Kaltwasserkreislauf als Kaskade. Das heißt, die Verdichter können insgesamt mit 12  Stufen (25%, 50%, 75%, 100% pro Verdichter) zugeschaltet werden und arbeiten auf diese Weise auch bei wechselnden Lastanforderungen bedarfsgerecht und energieeffizient. Die Verdichter geben die erzeugte Abwärme an den Rückkühlkreislauf ab. Dieser ist mit einem Wasser-Glykol-Gemisch befüllt und kann dadurch auch bei Außentemperaturen unter dem Gefrierpunkt sicher betrieben werden. Der Rückkühlkreislauf wird durch drei Rückkühler mit stufenlos drehzalgeregelte EC-Ventilatoren ebenfalls bedarfsgerecht gekühlt. Sämtliche Pumpen des neuen Kältesystems arbeiten mit effizienten Antrieben gemäß der Energieeffizienzklasse IE 3. Zudem ist die neue Anlage vollständig mit Sensorik ausgestattet und erlaubt dadurch ein lückenloses Monitoring.

Neben energieeffizienten Komponenten nutzt REHAU auch die Freikühlung, mit der die Energieeffizienz des Kältesystems nochmal deutlich gesteigert wird. Liegt die Außentemperatur unter 6 °C (Winterbetrieb), so reicht diese Temperatur aus, um die Prozesskühlung ohne den Betrieb der Verdichter sicherstellen zu können. Die Kältemaschine wird dann abgeschaltet und die Rückkühler auf dem Dach kühlen den Rückkühlkreislauf ab. Die Abwärme aus dem Kaltwasserkreislauf wird dann ohne Umwege direkt über den neu errichteten Wärmetauscher an den Rückkühlkreislauf abgegeben. Da die Leistung der Verdichter für diese Betriebsweise entfällt, erhöht sich die Energieeffizienz deutlich gegenüber einer normalen Betriebsweise. Die Freikühlung deckt knapp 40 Prozent der erforderlichen Kälteleistung und trägt somit signifikant zur Verbesserung der Energieeffizienz bei. Sie kann sogar in Temperaturbereichen zwischen 6 und 12 °C im Mischbetrieb die Kälteerzeugung über die Verdichter entlasten. Erst über 12 °C arbeitet das Kältesystem im Sommerbetrieb und setzt ausschließlich die Kältemaschinen ein. Die folgende Abbildung gibt die Betriebspunkte als EER (vertikale Achse) über die Außentemperatur (horizontale Achse) und die elektrische Leistungsaufnahme der Gesamtanlage (Farbskala) wieder. Die Leistungsaufnahme im Winter ist dank freier Kühlung deutlich niedriger und die EER entsprechend hoch.

Betriebsarten des Kältesystems (© REHAU Automotive SE & Co. KG)


Alexander Seither, Maintenance Manager:

Mit der neuen Freikühlung ist es nun möglich, die Lackieranlage von Herbst bis zum Frühling vollständig und direkt durch die Außenluft zu kühlen. Durch diese Verbesserung sparen wir langfristig Kosten und stärken gleichzeitig unsere Position gegenüber den Automotive OEMs.

Für die neue Kälteanlage wurde ein Gesamt-EER (Kaltwassersatz in Verbindung mit Freikühlung) von ca. 11,6 berechnet, was einer Verbesserung um den Faktor 5 gegenüber dem ursprünglichen System enspricht. Die tatsächlichen Effizienzwerte liegen mit einem Gesamt-EER von ca. 8,2 momentan jedoch noch darunter. Ausschlaggebender Grund hierfür ist die um 2 °C reduzierte Vorlauftemperatur, gegenüber der vorherigen installierten Kälteanlage. Die reduzierte Vorlauftemperatur wird prozesstechnisch bedingt benötigt. Dabei laufen die wassergekühlten Kompressionskältemaschinen wie erwartet, jedoch bestehen beim Freikühler noch kleinere Optimierungspotentiale für den Wochenendbetrieb.

Im Hinblick auf Umweltschutz spielt auch die Wahl des Kältemittels eine wichtige Rolle. Kältemittel haben ein Treibhausgaspotenzial (GWP), das den Effekt von CO2 um das hundert- bis tausendfache überschreitet. Mit dem neuen Kältemittel R513A setzt REHAU auf ein Low-GWP-Kältemittel. Das hat einen deutlich niedrigerem GWP-Wert als das Kältemittel, das im alten System eingesetzt wurde. Gleichzeitig wird mit dem Kältemittel R513A ein sicherer Betrieb der Anlage gewährleitest, denn es zählt nach Sicherheitsklassifizierung zu A1 Kältemitteln und ist damit gering-giftig und unbrennbar.

Mit dem Projekt realisiert REHAU eine Energieeinsparung von 82 Prozent. Dies entspricht einer absoluten Energieeinsparung von 692 MWh pro Jahr und einer jährlichen CO2-Einsparung von 372 Tonnen.

Einblicke in die Projektentwicklung und -umsetzung

Das Projekt wurde in Folge der identifizierten Einsparpotenziale durch die messtechnische Ausstattung der Bestandskälteanlage im Jahr 2018 angegangen. Die Ausgaben für die Nachrüstung der Sensorik haben sich insofern gelohnt, da somit eine Auswertung des elektrischen und thermischen Energieverbrauchs erst möglich wurde und die ineffiziente Betriebsweise der Bestandsanlage aufgedeckt werden konnte.


Markus Weiß, Energy Specialist:

Investitionen in die Nachrüstung von Sensorik ist Teil der Energieeffizienzstrategie von REHAU. Dass sich diese auszahlen, zeigt die Umrüstung der Kälteanlage in Werk 15 eindrucksvoll.


Bei der Auslegung des neuen Kältesystems wurde an die Erfahrungen der bereits realisierten Projekte bei REHAU angeknüpft. Es wurde sich beispielsweise bewusst für eine geschlossene Freikühlung anstelle von Kühltürmen und der damit verbundenen Nachteile entschieden. Dazu zählen ein hoher Wasserverbrauch, die Gefahr von Ablagerungen sowie die verschärften Vorschriften zur Überwachung von Legionellen bei Nassabscheidern gemäß 42. BImSchV. Die Freikühler ermöglichen dagegen einen wassersparenden und sicheren Betrieb.

Das neue Kühlsystem wurde im Juli 2020 in Betrieb genommen. Die Koordination der Projektentwicklung und -umsetzung erfolgte werksintern. Konzipiert wurde die Anlage durch das Energieteam des Werks Feuchtwangen 15 zusammen mit den beauftragten Anlagenherstellern. Aufgrund der hohen Einsparungen und der relativ kurzen Amortisationszeit hat REHAU die Maßnahme ohne Förderung umgesetzt.

Die Ergebnisse des ersten Betriebsjahres bestätigten die hohe Energieeinsparung, welche die Maßnahmenplanung versprach. Allerdings zeigte sich zunächst ein hoher Standby-Verbrauch der Anlage während des Wochenendes, an dem keine Prozesskühlung erfolgt. Die Ursache dafür konnte schnell auf einen fehlenden Baustein in der Programmierung der Anlage zurückgeführt und behoben werden. Die Optimierung der Freikühler ist noch nicht abgeschlossen und erfolgt im Winter 2022/23. Beide erst nach der Inbetriebnahme aufgetretenen Ineffizienzen konnten ausschließlich durch das Monitoring der Anlage erkannt werden. Dies zeigt, dass eine Auslegung auf eine bestimmte Effizienz nicht ausreichend ist, es muss auch im Nachhinein kontinuierlich gemessen und überprüft werden.

Auswahl als Leuchtturm für CO2-Einsparung in der Industrie

Die Bereitstellung von Kälte ist in der kunststoffverarbeitenden Industrie für ca. 5–10 Prozent des Gesamtenergieverbrauchs verantwortlich. Aufgrund des großen Kältebedarfs spielt die Optimierung der Kälteversorgung eine wichtige Rolle für Energie- und CO2-Einsparungen in dieser Branche. Das Projekt der REHAU Automotive SE & Co. KG zeigt, dass durch eine Umrüstung und Optimierung des Gesamtsystems Energieeinsparungen von mehr als 80 Prozent erreicht werden können. Das Energie- und CO2-Einsparpotenzial wurde durch die Nutzung einer Energiemanagement-Software in Verbindung mit dem Einsatz von Sensorik aufgedeckt. Die zusätzliche Integration von freier Kühlung trägt nochmal zur Effizienzverbesserung bei. Das Projekt hat damit eine hohe Relevanz und Übertragbarkeit, auch über die Kunststoffverarbeitung hinaus. Schließlich macht das Beispiel von REHAU deutlich, dass Zulieferunternehmen ihre Wettbewerbsfähigkeit maßgeblich durch die Verringerung ihres CO2-Fußabdrucks steigern können.

Sie möchten mehr über das Projekt erfahren?

Ihr Ansprechpartner bei REHAU Automotive SE & Co. KG:
Markus Weiß, Energy Specialist
E-Mail: Markus1.Weiss@rehau.com
Tel.: 0151 61250947