Leuchtturmprojekt für energieeffiziente Abwärmenutzung

Gilgen‘s Bäckerei & Konditorei GmbH & Co.KG

Die Herstellung von Backwaren ist ein energieaufwändiger Prozess. Pro Kilogramm Mehl werden im Branchendurchschnitt etwa 3,4 kWh Energie verbraucht. Das Bäckereigewerbe gehört daher zu den energieintensivsten Handwerken und ist mit etwa 10 Prozent des Gesamtenergieverbrauchs einer der größten Bezieher von Energie im deutschen Lebensmittelhandwerk. Mit rund 12.000 Meisterbetrieben, einem Gesamtumsatz von rund 14 Mrd. Euro und 270.000 Mitarbeitern zählt das Bäckerhandwerk zu den wichtigsten Wirtschaftsfaktoren Deutschlands.

Gilgen’s Bäckerei & Konditorei ist ein familiengeführter, mittelständischer Hersteller von Brot-, Backwaren-, Konditorei- und Bäckergastro-Produkten mit Verwaltungs- und Produktionsstandort in Hennef/Rheinland. Das Unternehmen beliefert 40 eigene Filialen in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz, im Rhein-Sieg Kreis, in Bonn und im Kreis Altenkirchen/Westerwald. Auf einer Produktionsfläche von rund 2.800 m² verarbeitet das Unternehmen 2.100 Tonnen Mehl pro Jahr. Alle Produkte werden in Hennef hergestellt und mit eigenen Fahrzeugen mehrmals täglich zu den Filialen gefahren. Der größte Teil der Brötchen wird backfertig vorproduziert und in den Backöfen der Filialen immer frisch gebacken.

Umgesetzte Maßnahmen des Unternehmens entsprechend der "Abwärmekaskade"

 

Projektübersicht

Unternehmen Gilgen’s Bäckerei & Konditorei GmbH & Co. KG
Projektstandort Hennef
Projektentwicklungszeitraum 2013 bis 2017
Jahr der Inbetriebnahme 2018 (geplant)
Branche Backgewerbe
Technologie  
  • Abwärmevermeidung durch Isolierung, Systemvereinfachung, bedarfsabhängige Betriebsweise, Zusammenfassung von bislang getrennten Wärmeverteilungen
  • Wärmespeicher, Optimierung der Wärmeverteilung
  • Abwärmebeheizte Gärunterbrecher
  • Wärmerückgewinnung Kälteanlage
 
Energieeinsparung (Strom und Wärme) 486 MWh/a
CO2-Einsparung 133 t/a
Förderfähige Investitionskosten 407.671 €

 

Die Projektentwicklung

Gilgen‘s führte 2015 als eines der ersten Unternehmen der Branche ein Energiemanagementsystem (EnMS) nach DIN EN 50001 mit dem Ziel ein, Energiebedarf, CO2 und Kosten kontinuierlich zu senken. Dabei berücksichtigt das EnMS sämtliche energieverbrauchende Bereiche der Bäckerei (Produktion, Verwaltung, Vertrieb, Logistik, Verkauf) und erfasst die Verbrauchsdaten der entscheidenden Energieverbraucher. An dem Projekt beteiligt ist das Energie­-Dienstleistungsunternehmen Industriepark Troisdorf GmbH (IP Tro), ein Schwesterunternehmen der Stadtwerke Troisdorf GmbH, welches die Federführung in allen Fragen der Energieberatung innehat.

Neben der Implementierung eines Energiemanagementsystems lässt Gilgen’s die größten Stromverbraucher mittels Messtechnik der IPTro und einer webbasierten Software erfassen, darstellen und analysieren.  Die Beleuchtung wurde bereits auf LED-Technologie umgestellt und die bisherigen Stromzähler in den Filialen durch intelligente Messeinrichtungen ersetzt.

Wesentliche energieverbrauchsrelevante Prozesse in der Backstube sind die Kernprozesse bei der Herstellung der Backwaren: das temperaturmäßige Konditionieren der Teigwaren, der Gärprozess, der eigentliche Backprozess und die Reinigungsprozesse.

Bereits im Zuge der Einführung des EnMS wurden erste Ideen zur Abwärmevermeidung und -nutzung  entwickelt. Eine darauf folgende nähere Untersuchung bestätigte branchentypische, wie auch darüber hinaus gehende ortsspezifische Potenziale für Maßnahmen zur Abwärmevermeidung und prozessinternen Abwärmenutzung.  Als geeignete Abwärmequellen wurden identifiziert: Backöfen, Thermoölkessel, Wärmeverteilung, Schwadenabsaugung, Kälteerzeugung und Trinkwassererwärmung. Motiviert durch das systematische Energiemanagement wurde schließlich ein ganzheitliches Abwärmekonzept entwickelt.

Eine Hürde stellte der höhere Umsetzungsaufwand durch die Strukturen im stetig wachsenden Unternehmen dar. Diese Hürde konnte durch eine klare Zielsetzung seitens der Unternehmensführung zur Energieeinsparung und ‑effizienz sowie der Entwicklung eines ganzheitlichen Abwärmekonzeptes überwunden werden.

Das Abwärmekonzept umfasst verschiedene Maßnahmen auf Seiten der Abwärme, die im Resultat zur Einsparungen von Elektroenergie und Erdgas führen. Insgesamt soll durch die Summe der Maßnahmen eine Stromeinsparung von 88 MWh, eine Erdgaseinsparung von 398 MWh und eine jährliche CO2-Einsparungen von 133 t realisiert werden.

Maßnahmen des Abwärmekonzeptes

Das Abwärmeprojekt der Gilgen’s Bäckerei & Konditorei umfasst eine ganzheitliche Optimierung über sämtliche Bereiche der Wärmeerzeugung, der Speicherung und Verteilung sowie der Energienutzung.  Die Zusammenfassung von bislang getrennten Wärmeverteilungen und die Installation eines großen Pufferspeichers als zentrale Maßnahme ermöglichen die Nutzung branchentypischer Abwärmequellen aus Abgas, Schwadenabsaugung und Kälteerzeugung durch die notwendige zeitliche Entkopplung von Wärmerückgewinnung und Energiebedarf.

Die Trinkwassererwärmung der Spülmaschine, die Teigbereitung, die zuvor elektrisch beheizten Gärunterbrecher, sowie die allgemeine Trinkwassererwärmung für Duschen und Reinigung werden als wesentliche, prozessinterne Niedertemperatur-Wärmesenken für die Abwärmenutzung erschlossen.

Feste Bestandteile des ganzheitlichen Ansatzes sind die Erneuerung und Zusammenfassung von bisher getrennten Prozesswärmeerzeugern zur Backofenbeheizung (Thermoöl-Kessel), die Reduzierung von Oberflächen- und Abgasverlusten, die drastische Systemvereinfachung und der Einsatz einer bedarfsgerechten Steuerung im Thermalölbereich.

Beispiel-Foto: Gärunterbrecher

20.000 Liter-Schicht-Pufferspeicher

Einsatz eines neuen, größeren Pufferspeichers als zentrales Element für die Rauchgas-Wärmerückgewinnung,  die Schwadenabsaugung und eine Wärmerückgewinnung aus der Kälteerzeugung  zur Prozesswassererwärmung. Der mit 20.000 Litern dimensionierte Speicher bildet die Grundlage für eine entkoppelte bedarfsabhängige Bereitstellung der Abwärme zur zukünftigen Versorgung der verschiedenen Wärmesenken in sämtlichen Gebäudebereichen.

Platzbedingt muss der Speicher im Außenbereich aufgestellt werden und über entsprechende Rohrleitungen angebunden werden. Um die Wärmeverluste gering zu halten, wird der bereits gedämmte Pufferspeicher mit einer zusätzlichen 10 cm starken Dämmung versehen und eine  Einhausung aufgebaut. Der Speicher ist als Schichtenspeicher konzipiert, Einspeise- und Entnahmeleitungen werden zu diesem Zweck mit unterschiedlicher Höhe am Speicher angeordnet.

Die optimierte Systemintegration wird über eine übergeordnete Steuerung des Gesamtsystems gewährleistet.

Abwärme ersetzt Stromheizung

Die Erweiterung des Kältekreislaufs der Gärvollautomaten über den Anschluss an die neue Wärmerückgewinnungsanlage macht die Abwärme für die Wiederaufwärmung verfügbar. Gärunterbrecher überbrücken die Zeit zwischen Teiglingherstellung und Backen, indem sie die Teiglinge auf etwa -10°C gefrieren, in regelbarer Luftzirkulation lagern und nach einer bestimmten Zeit automatisch auftauen. Die Gärunterbrecher regeln die zeitweise Abkühlung und Wiederaufwärmung zur Steuerung des Gärprozesses vollautomatisch.

In den Gärunterbrechern befindet sich intern zur Temperierung ein Umluftkreislauf, der im Bestand mit Strom direkt geheizt wird. Das benötigte Temperaturniveau beträgt maximal 45°C, so dass hier eine Nutzung von Abwärme auf Niedertemperaturniveau möglich ist.

Die Gärunterbrecher werden dazu von einer Stromheizung auf eine indirekte Beheizung mittels zusätzlicher Wärmeübertrager zur Abwärmenutzung umgerüstet. Da in den Gärunterbrechern zeitweise Minustemperaturen vorherrschen, ist dazu in ein getrennter Glykol-Abwärmeheizkreis zu realisieren.

Die Versorgung des Gärunterbrechers aus der bestehenden Kälteanlage zu Kühl- und Gefrierzwecken bleibt vom Ansatz der Wärmeintegration aus Abwärme unberührt.

Wärmerückgewinnung aus Kälteerzeugung

Neben den Kühlräumen als Lagerbereiche für die Rohstoffe, Halbfertig,- und Fertigerzeugnisse benötigt eine Bäckerei zur Gärzeitsteuerung zusätzlichen Kühlraum. Die Teiglingskühlung in Kühlräumen mit Temperaturen von bis zu +5°C erlaubt eine Langzeitführung des Gärprozesses von Brötchenteiglingen. Die Bevorratung von Teiglingen kann bei vorheriger kurzer Schockfrierung der Teiglingsmenge auf -10 °C bis auf 24 Stunden ausgedehnt werden. Dazu werden Temperaturen von  –18 °C mit hoher Kälteleistung benötigt.

An den luftgekühlten Kondensatoren der bestehenden Kompressionskälteanlagen zur Kälteversorgung von Schock-  und Lagerfroster fällt eine erhebliche Menge Abwärme auf einem Temperaturniveau von 45 °C an. Diese sollen zukünftig ausgekoppelt und zur Erwärmung von Prozesswasser verfügbar gemacht werden, wofür Wärmeübertrager zur Heißgasenthitzung an der Kälteanlage nachgerüstet werden und die hygienische Erwärmung des Frischwassers zukünftig über eine mehrstufige Kaskade umgestaltet wird.

Finanzierung

Der zinsgünstige Kredit der KfW (Programm 294) ist für die Gilgen’s Bäckerei & Konditorei eine wichtige Voraussetzung für die Umsetzung der Gesamtmaßnahme und ermöglicht auch flankierende Maßnahmen zur Qualitätssicherung und Erfolgskontrolle.  

Informationen zu aktuellen Fördermöglichkeiten von Energieeffizienzmaßnahmen finden Sie hier.

Auswahl als Leuchtturm für energieeffiziente Abwärmenutzung

Das Abwärmekonzept der Gilgen’s Bäckerei & Konditorei ist typisch für eine Bäckerei, in der Abwärme prozessbedingt anfällt und der energieeffiziente Einsatz von Prozesswärme und Prozesswarmwasser eine große betriebswirtschaftliche Rolle spielt. Das Abwärmekonzept basiert auf einer ganzheitlichen Analyse des Betriebes und berücksichtigt Maßnahmen zur Abwärmevermeidung und innerbetrieblicher Nutzung in besonderem Maße. Ein wesentlicher Aspekt ist damit die beispielhafte Übertragbarkeit auf andere Unternehmen.